Absehbare Spiele durchbrechen


Performative Praxen im Gezi-Park – ein Gespräch mit Jasmin İhraç



erschienen in: arranca!, Ausgabe 47, 11/2013, http://arranca.org/ausgabe/47/absehbare-spiele-durchbrechen

Jasmin İhraç ist zeitgenössische Tänzerin, Choreographin und Soziologin. Anfang Juni 2013 war sie in Istanbul, um sich an den Protesten­ gegen die Räumung des Gezi-Parks zu beteiligen. Zunächst engagierte sich ein kleines Forum gegen den Bau eines Einkaufszentrums auf dem Gelände des Parks. Ende Mai 2013 kam es zur Räumung des Protestcamps und zu massenhaften Solidaritätsaktionen, die sich auch allgemeiner gegen die restriktive Politik der Regierung Erdoğan richteten. Das gewaltsame Vorgehen der Polizei hat zu einer Ausweitung der Solidarität in anderen Städten der Türkei und darüber hinaus geführt. Wir sprachen mit Jasmin über verschiedene Formen den Körper im Rahmen des Protests einzusetzen, die Rolle des Humors in der Bewegung, die Rezeption in Sozialen Medien, Anknüpfungspunkte für solidarische Praxen und das Potenzial der Kunst.

¿Was war deine Motivation Anfang Juni 2013 nach Istanbul zu fahren und was waren deine Eindrücke als du dort angekommen bist?

Als ich mich entschlossen habe, nach Istanbul zu fahren, liefen die Proteste schon eine Woche und ich hatte die Ereignisse über Facebook und Twitter verfolgt. Sowohl in der deutschen als auch in der türkischen Presse hat man zu der Zeit noch nichts berichtet. Online las ich über die massiven Polizeieinsätze und gleichzeitig darüber, was im Park passiert und wie sich die Leute organisieren. «Es passiert gerade die Revolution», war mein Gefühl. Wegen der gewalttätigen Bilder hatte ich zunächst Angst, aber schließlich bin ich losgefahren.
Nach meiner Ankunft sind mir vor allem die Graffitis auf der Istiklal-Straße aufgefallen. «Tayyip tritt zurück» oder «Boyun egme» (Ergib dich nicht.). Es gab dort Straßenverkäufer, die Schals mit der Aufschrift Çapulcu1 und Gasmasken verkauften.
Als ich dann auf dem Taksim-Platz ankam, herrschte dort eine ganz besondere Stimmung. Es war ein totales Freiheitsgefühl. Musik, Tanz, Essen… Noch mehr Leben als dort ohnehin schon ist.
Die große Solidarität war überall rund um den Platz und im Park spürbar: Zum Beispiel haben die Hotels während der gesamten Zeit Verletzte aufgenommen und ihr Internet zur Verfügung gestellt. Das war wichtig, weil der Online-Zugang teilweise eingeschränkt wurde und das Internet eine wichtige Rolle in der Organisation und der Verbreitung von Informationen gespielt hat. Es gab mehrere Pressestationen, Infozelte politischer Gruppen und das Taksim Daynışma Forum, die die Asambleas und alle weiteren Aktionen koordiniert haben. An die konnte man sich immer wenden, wenn man Fragen hatte. Im Park fanden Workshops, Seminare oder auch Kurse wie Yoga statt. Solche kleinen Events waren Teil der Alltagsorganisation im Park. Das waren keine spektakulären Aktionen, aber ein ganz wichtiger Teil des Protests. Diese Praxen – unter Einsatz der Körper der Protestierenden – fand ich sehr auffällig.

¿Was für performative Praxen sind dir auf oder rund um den Platz noch aufgefallen?

Zum Beispiel das gemeinsame Tanzen. Der Tanz bekommt eine andere Bedeutung, wenn das in so einem Kontext zusammen Seite an Seite geschieht. Oder das Fastenbrechen, was ich von zu Hause dann weiter verfolgt habe. An Ramadan hat die Regierungspartei Akp auf dem Taksim-Platz ein gemeinsames Essen an schön gedeckten Tischen organisiert. Als Gegenaktion haben die Protestierenden die ganze İstiklal-Straße in eine riesige Tafel verwandelt. Es wurden kilometerweit Tischtücher ausgebreitet und gemeinsam gegessen.
Neben der Aktion vom duran adam2 gab es auch Ziyah Azazi, der als Performer – inspiriert von den Derwischen – schon lange eine Praxis des Drehens hat. Auf dem Taksim-Platz gibt es Aufnahmen von ihm, wo er sich während des Drehens eine Gasmaske auszieht.

Daneben gab es eine Vielzahl von Plakaten, Zeichnungen, Graffitis und Grafiken. Darüber sind ikonische Figuren entstanden, die wie Superhelden immer wieder auftauchen. Der duran adam, die Frau im roten Kleid, der talcid man, der Talcid als Gegenmittel gegen das Tränengas sprüht, die Frau im schwarzen Kleid, der nackte Mann. Diese Bilder kursierten über Facebook.

¿Den Körper widerständig einzusetzen ist ja ein klassisches Mittel: sich dem Wasserwerfer entgegenstellen, Ketten bilden. Spannend aber, dass es scheinbar auch ganz andere Möglichkeiten gibt, den eigenen Körper widerständig werden zu lassen: zu tanzen, sich zu drehen oder einfach nur still da zu stehen.

Ja, das stimmt. Es hat einfach in verschiedenen Momenten stattgefunden. Es gab auch die ganz klassische Konfrontation, wo die Leute­ sich dem Tränengas entgegengestellt haben. Zum Beispiel hat aber der duran adam in einem bestimmten Moment das richtige gemacht. Er hat eine Lücke gefüllt, die man mit einer weiteren Forderung oder einer normalen Besetzung gar nicht hätte so stark machen können. Deshalb finde ich genau diesen Platz, den Performance in dieser Lücke einnimmt, so super, weil sie ein absehbares Spiel durchbricht. ­Gewalt, dann Gegengewalt – eine berechenbare oder zumindest absehbare Auseinandersetzung. So eine Aktion wie das Stehen hat diese Logik vollkommen durchbrochen.

¿Waren solche Aktionen vor allem für die Kommunikation untereinander wichtig oder hatten sie auch eine strategische, weil öffentlichkeitswirksame Komponente? Ging es darum, Bilder, Symbole zu erzeugen, die weltweit rezipiert werden können? Oder hat sich die Ikonografie einfach aus der Dynamik entwickelt?

Distribution und Rezeption waren natürlich wichtig. Man konnte live mitverfolgen, dass der duran adam dort auf dem Platz steht – und immer noch da steht und dass die Leute sich dazugestellt haben – auch einzeln. Sowohl in Istanbul als auch in anderen Städten ging das noch Tage oder Wochen so weiter. Dort standen auf einmal Leute still oder es wurden stellvertretend Schaufensterpuppen aufgestellt. So gab es verschiedene Arten der Bezugnahme und der Solidarität, wodurch sich der Protest ausgeweitet hat. Das Stehen ist genial: das kann fast jede_r machen und sowohl Hemmschwelle als auch Organisationsaufwand sind niedrig. Die Spontaneität dieser Organisierung war bei vielen dieser Praxen ein wichtiger Aspekt, sie entstand im Moment.

Diese performativen Praxen und Bezugnahmen waren total wichtig, was aber auch eine wichtige Rolle gespielt hat, waren die Asam­bleas, die im Gezipark und als das nicht mehr ging, in anderen Parks, stattgefunden haben. Es wurden konkrete Fragen besprochen, was ist mit dem Müll, was ist mit dem Alkohol, wie kriegen wir es hin, dass die Zelte nicht zu eng stehen, damit nichts passiert, wenn die Polizei kommt. Das waren ja konkrete Fragen, für die man Lösungen finden musste.

¿Was war denn neben den akuten praktischen Fragen und dem gemeinsamen Widerstand gegen die Polizeieinsätze das inhaltlich Verbindende auf dem Platz?

Die konkreten Forderungen waren ganz klar formuliert: 1. Der Tränengaseinsatz muss gestoppt werden, 2. die Festgenommenen sollen frei gelassen werden, 3. der Gezi-Park soll erhalten bleiben, 4. die Leute, die für die Gewalt verantwortlich sind, sollen zur Verantwortung gezogen werden, 5. die dritte Brücke soll nicht gebaut werden. Das sind ja sehr konkrete Forderungen, auf die man sich leicht einigen kann und gleichzeitig haben sie eine große symbolische Bedeutung. Das fand ich sehr intelligent.
Diese Forderungen haben ganz unterschiedliche Gruppen ­geteilt: kemalistische Gruppen, kurdische Gruppen, Leute die sonst nicht miteinander geredet hätten, waren gemeinsam im Park. Es gab auch Auseinandersetzungen, klar. Aber auf die Forderungen konnte man sich einigen.

Hinzu kamen verschiedene konkrete Anlässe, auf die kritisch reagiert wurde. Als CNN International über die Proteste berichtet hat, hat CNN Türk eine Dokumentation über Pinguine gezeigt. Von dem ­Moment an sind überall Pinguine aufgetaucht: in Songs, als eine Tanz-Bewegung, als Verkleidung.

Oder als Erdoğan sich an die Mütter der vielen jungen Protestierenden gewandt und gefordert hat, dass sie «jetzt ihre Kinder nach Hause holen». Anstatt ihre Kinder abzuholen sind abends viele Mütter zum Taksim-Platz gekommen, haben um die Zelte Halay getanzt und Transparente aufgehängt, auf denen stand «Die Mütter sind da und schützen ihre Kinder. Hier sind die Mütter, die du haben wolltest.»

Interessant war auch, dass Geldscheine als Kommunikationsmittel genutzt wurden: z.B. gab es einen 14-jährigen Jungen, der – unterwegs zur Bäckerei – von einer Gaskapsel getroffen wurde und seitdem im Koma liegt. Jemand hat dann auf einem Geldschein geschrieben: «Wenn du mit diesem Geldschein Brot kaufen gehst, riskierst du, von einer Gaskapsel getroffen zu werden. X liegt immer noch im Koma.»

Dann gab es den «Widerstand der Schwangeren». Im Fernsehen hatte der Anwalt İnançer gesagt, dass Schwangere aus ästhetischen Gründen ab dem siebten Monat nicht mehr auf die Straße gehen sollten. Über das Twitter-Hashtag #direnhamile (Widerstand Schwangerer) organisierte sich sofort Protest, worauf es in Istanbul eine große Demo von Schwangeren gab, die ihre Bäuche bemalt haben. Auch in Antalya und Izmir gab es diese Demos und sie haben großartige Bilder produziert. Das sind konkrete (Re)Aktionen auf konkrete Umstände, die im konkreten Moment Sinn gemacht haben.

¿Bemerkenswert ist bei deinen Erzählungen, welche Rolle der Humor gespielt hat. Es ist schwer vorstellbar, in einer Situation, die immer wieder von heftiger Gewalt geprägt ist, Humor zu behalten und aktiv strategisch zu nutzen. Das lässt sich nur schwer mit dem Bild der klassischen revolutionären 1. Mai-Demo vereinen.

Humor spielte eine sehr wichtige Rolle. Schließlich gibt es 8 000 Verletzte, sechs Menschen sind gestorben, es wurden sehr viele verhaftet,­ ein Junge liegt noch im Koma, einige Leute sind vom Tränengas erblindet. Dieser Aspekt hat etwas furchtbar beklemmendes. ­Gleichzeitig liegt in dem Umgang damit, der sich aus der Situation ergeben hat, die Stärke. Es hatte mit dem Verlust der Angst und der Weigerung sich einschüchtern zu lassen zu tun.

¿Bei deinen Berichten habe ich das Gefühl, dass viele dieser Bilder – gerade in linken Zusammenhängen – hier gar nicht rezipiert werden. Es fühlt sich eher nach der 10 0000sten Reproduktion von Riot-­Bildern an, wo sich jede_r sagt: «Schlimm, hab ich aber tausendmal gesehen, Nächstes bitte.» Das wird der Vielfalt der Aktionen in Istanbul scheinbar nicht gerecht. Da stellt sich für mich die Frage, welches Potential können solche Bilder eigentlich noch entfalten? Und motiviert die Strategie, den Staat immer wieder aufs Neue als Gewaltakteur zu markieren, hier tatsächlich Leute dazu, mittels irgendeiner Form der politischen Praxis zu intervenieren?

Das ist mir auch bei einer Veranstaltung im SO36 aufgefallen. Es ging es um die Proteste und sämtliche Bilder konzentrierten sich ausschließlich auf die Polizeigewalt. Meine Freund_innen und ich haben im Kontext der Proteste ganz viel anderes erlebt. Die starken Bilder sind für mich die aus dem Park, all das was dort parallel passiert ist. Ich glaube, nur deswegen ließ sich auch mit der ganzen Gewalt umgehen. Ohne diese Erlebnisse hätte sich die Bewegung ganz leicht niederschlagen lassen. Der Pianist, der seinen Flügel zum Taksim-Platz gebracht hat, um dort zu spielen zum Beispiel: Dem Abend, an dem er spielte war ein Tränengaseinsatz von 14 Stunden vorangegangen und abends waren die Leute eben wieder zu vielen Tausenden auf dem Platz. Die Bildstereotype der Gewalt motivieren nicht gerade dazu, selber aktiv zu werden. Als ich diese Bilder gesehen habe, war die Reaktion eher Verzweiflung. Mir erscheinen die Mittel, die Menschen und ihren Protest von hier aus zu unterstützen dann noch viel begrenzter. Wenn ich hingegen sehe, was die Leute dort eigentlich machen, entdecke ich auch ganz andere Möglichkeiten ihren Kampf zu unterstützen.

¿Du hast im Juni auf dem Tempelhofer Feld eine Solidaritätsperformance initiiert, an der mehrere Leute teilgenommen haben. Was habt ihr dort gemacht?


Ich wollte etwas machen, was einerseits eine Solidaritätserklärung mit den Protesten ist und andererseits performativ an den duran adam anschließt. Ich wollte aber nicht nur das Stehen reproduzieren, sondern habe überlegt, wie sich dieser Widerstand mit mehreren Leuten körperlich machen lässt. Die Idee war dann, 10 Minuten zu stehen, 10 Minuten zu sinken, 10 Minuten zu liegen, 10 Minuten aufzustehen und 10 Minuten zu stehen. Dabei sollte die Haltung aber auch immer widerständig sein: Sich dem Boden nicht hinzugeben, selbst wenn man liegt. Innerhalb der Gruppe hatte das gemeinsam Sinken und gemeinsam wieder Aufstehen – langsam – den Effekt, dass ­dadurch dieses zweite Stehen ein ganz anderes, viel stärkeres Stehen wurde, als das erste es war. Die Performance wurde abgefilmt, denn mir war die Verbreitung sehr wichtig, ich wollte das über Facebook verteilen und an die Leute in der Türkei schicken. Bei solch einer Form der Solidarität zeigt sich die Stärke der sozialen Medien, die Leute in Istanbul haben es gesehen und sich als Unterstützung der Proteste sehr darüber gefreut.

¿Wie wurde die Performance in der konkreten Situation auf dem Tempelhofer Feld angenommen? Haben die Leute den Bezug zu Istanbul verstanden? Gab es Erklärungen dazu oder war es ohnehin stärker auf die Rezeption über Medien angelegt?


Diese Frage habe ich mir zunächst auch gestellt. Für mich war der Akt der Solidarität erst mal wichtiger. Der unmittelbare Effekt der Performance war da sekundär. Einige Leute haben sich das aber wirklich 50 Minuten lang angeschaut. Einige junge Mädchen haben sogar ­gefragt, ob das etwas mit Taksim zu tun hat – die haben da schon ­Bezug genommen, wohl vor Allem durch das Stehen.

¿Sprechen wir nochmal über dein Leben als Soziologin und Künstlerin. Ich erlebe Kunst und Politik oft als sehr voneinander getrennt gedachte Bereiche. Wie du berichtet hast, haben sich diese Bereiche in der Praxis der Proteste in der Türkei stark überlagert. Wie fühlt sich das für dich an, wenn du dich sowohl in politischen Kontexten als auch in künstlerischen Kontexten bewegst? Wie viel Wert misst du dem Brücken schlagen an dieser Stelle bei? Man könnte ja auch sagen, dass Kunst und Politik wunderbar parallel existieren können. Oder anders gefragt: Was ist mit Sprache? Existiert in der Vermittlung zwischen beiden Bereichen so etwas wie eine gemeinsame Sprache? Vielleicht liegt der Widerspruch auch weniger zwischen Kunst und Politik, als zwischen Kunst und Wissenschaft, von wissenschaftlichen Zugängen geprägte Politik?


Für mich ist die Vielzahl der Mittel wichtig, also nicht das eine oder andere exklusiv zu denken. Der Einsatz von verschiedenen Mitteln in verschiedenen Momenten an verschiedenen Orten birgt ein größeres Potential als die immer gleichen Orte mit den gleichen Mitteln zu bespielen. Eben nicht zu sagen, eine Demo muss immer einen Redebeitrag haben usw. sondern kann auch anderes beinhalten, performative Sachen wie zum Beispiel Steine schmeißen ohne Steine. Das ist nicht meine Idee, aber ich finde sie super, weil das ein performatives Mittel ist, das zunächst eine Verunsicherung erzeugt. Man sollte sich nicht davor verschließen, dass all solche Formate und unterschiedliche Sprachen parallel existieren dürfen, aber sie sollten gerade in ihrer Vielfalt zum Einsatz kommen. Das wäre wichtig. Aber ja, ich glaube, dass bestimmte Praxen eben auch nur in bestimmten Momenten entstehen können, dass es auch falsch wäre, krampfhaft etwas hier und jetzt erzeugen zu wollen – das funktioniert einfach nicht.

¿Welches politische Potenzial misst du der Kunst oder dem künstlerischen Ausdruck an sich bei? Oftmals entstehen bei Verbindungen zwischen Kunst und Politik instrumentelle Verhältnisse. Kunst wird dann schnell zu Agitprop, aber inwieweit kann denn auch der künstlerische Ausdruck in sich politisches Potential entfalten, ohne sich direkt in den Dienst einer konkreten politischen Strategie zu stellen? Wie ist denn das Verhältnis von Sprache und anderen Ausdrucksformen des Protests. Ist das noch mal eine ganz andere Form der Kommunikation als sprachliche Statements zu machen oder Forderungen zu formulieren?

Ja, das ist eine ganz wichtige Frage. Ich denke das kann nur funktionieren, indem man erst mal beiden Bereichen eine eigene Freiheit ­zugesteht und nicht versucht direkt zu übersetzen: Ich möchte eine politische Aussage treffen und mache deshalb dazu einen Tanz oder male etwas. Da kann es leicht passieren, dass man nachher denkt: «Hättest Du besser mal einen Text geschrieben.» In einem Moment, wo du so klar hast, was du sagen möchtest, ist es besser es zu sagen. Es ist also eine Frage der Notwendigkeit. Wenn Dinge nicht mehr sagbar sind oder sich nicht mehr sagen lassen, kann eine Notwendigkeit entstehen, dies zum Beispiel über den Körper auszudrücken. Dann macht es Sinn, dann ist es auch stark. Deswegen ist etwas Performatives, wie der duran adam, auch stark, weil es in dem Moment eine Notwendigkeit gab, Dinge über den Körper auszusprechen. Was nicht passieren sollte, ist der Versuch einer direkten Übersetzung.


1. Çapulcu – zunächst bezeichnete Erdoğan die Protestierenden als Çapulcus ­(Marodeure, Plünderer, Räuber). Die Protestierenden griffen den Begriff auf und bezeichneten sich selbst so.

2. duran adam – standing man, der stehende Mann ist zu einer ikonischen Figur geworden, mehrere Stunden hat Erdem Gündüz auf dem Taksim-Platz gestanden und in vielen Städten wurde das Stehen als Motiv aufgegriffen.